Nach einem etwas holprigen Start sind wir gut in Hancock angekommen. Auf unseren Koffer mussten wir 6 Tage warten. Doch nun ist er angekommen und die Warterei und Unsicherheit über einen evtl. bevorstehenden Totalverlust des Koffers ist nun Vergangenheit. Unsere Wohnung ist gemütlich, aber klein. Von 150 qm auf 50 qm reduziert ist unser Improvisationstalent gefragt. Eine kleine Herausforderung stellt unser gemeinsames Bett dar, mit 1.40 m Breite und einer durchgehenden Decke. Bei so viel plötzlicher Nähe fühlen wir uns etwas zwangsbeglückt, schätzen wir doch beide unseren Freiraum. Doch was wäre das Reisen ohne Herausforderungen.
Rudolf hat sich vorgenommen, das Kochen zu übernehmen. Mit nur einer Herdplatte eine weitere Herausforderung. Es gibt natürlich eine schicke Mikrowelle -wäre ja auch untypisch, wenn nicht- mit Schnickschnack, den ich nicht kenne. Für mich ist eine Mikrowelle etwas zum Auftauen. Weit gefehlt anscheinend. Es beruhigt mich etwas, denn die Vorstellung, drei Monate lang Eintopfgerichte essen zu müssen, hält die Freude darüber in Grenzen.
Der Empfang bei unseren Vermietern, Dorothy und Dick, war überaus freundlich. Sie nahmen uns nachmittags gleich mit in das kleine Nachbardorf Rochester und die Überquerung des ca. 100 m langen Marktes nahm eine gute Stunde ein. Überall wurden wir vorgestellt und von Allen herzlich willkommen geheissen. Auf mich wirkte das wie die ersten Sonnenstrahlen eines warmen Frühlingtages, gepaart mit fröhlichem Vogelgezwitscher nach einem langen, kalten Winter.
Insgesamt war ich fünf Mal in den USA und ich bin einmal mehr überrascht, wie sich Wahrnehmungen verändern und damit verbundene Urteile. Ich empfand die USA stets als gourmetfreie und Fast Food lastige Zone. Zudem einem kollektiven Massenbewusstsein unterworfen, dass kaum Individualität zulässt. Nun wurde ich eines Besseren belehrt. Denn es wimmelt hier nur so von Organic Food, freilaufenden, glücklichen Hühnern und alternativ gekleideten Menschen. In Middelbury gibt es sogar einen „Organic Supermarket“ mit einer wirklich umwerfenden Auswahl an gesunden, biologischen Lebensmitteln. In der Bakery-Abteilung finde ich sogar ein Regal mit „European Bakery“. Was also wollen wir noch mehr. Vermont scheint eine echte Perle in den USA zu sein. Ich selbst sehe mich einmal mehr aufgefordert, meine Urteile einfach nur als Urteile zu erkennen und sie nicht zur Wahrheit zu deklarieren.